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amberger gelb - der bericht

Nachdem genug Zeit vergangen ist, das L'OCRE-Projekt aus Roussillon zu bewundern, will ich wissen, wie die Ockererden in Deutschland und besonders in Bayern aussehen könnten. In der Staatsbibliothek München ist zum Thema Ocker überhaupt nichts Geeignetes zu finden. Karl Imhof erzählt mir beiläufig vom "Amberger Gelb". Nach weiterer Recherche in der Staatsbibliothek wird klar, dass nur im Amberger Stadtarchiv Material über den Ocker in diesem Raum zu finden sein würde. Inzwischen, Mitte November, ist mir die Idee gekommen, noch in diesem Jahr einen Kalender mit bayerischem Ocker zu drucken. Also habe ich überhaupt keine Zeit mehr, in Amberg zu recherchieren. Ich rufe Dr. Kremer in Aichstetten an, der alles über Pigmenterden wissen könnte, und erfahre zumindest soviel, dass es in Südbayern überhaupt keine Farberden geben würde. Er gibt mir aber die Telefonnummer der Firma Gebr. Dorfner, Kaolinwerke in Hirschau. Nach sehr freundlichen telefonischen Weiterleitungen im Werk bekomme ich die Nummer von Herrn Felix Eckert, einem pensionierten Bergbauingenieur, der mir ganz bestimmt helfen kann. Herr Eckert interessiert sich sofort für meinen Plan. Nach drei Tagen hat er Informationen vom Amberger Bergamt. Aber er muss auch noch schnell auf eine Reise gehen, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als noch eine lange Woche zu warten. Noch am Abend seiner Rückkehr kann ich nach Hirschau fahren und erfahren, was er über den Ockerabbau in der Gegend herausgefunden hat:

1. Es wurde ehemals bei Mittelreinbach im Nordosten des Blauen Berges, in der Nähe von Fichtenhof, Rötel durch die Grubenbesitzer Zahn und Hauenstein abgebaut. 2. Bei Troschelreuth im Nordosten von Pegnitz soll noch mindestens eine Grube aktiv sein. 3. Bei Degelsdorf in der Nähe von Auerbach soll es auch irgendetwas sein.


Am nächsten Morgen, dem 24. November 1995, fahre ich bei Nebel und Schnee in Hirschau los. Zunächst nach Sulzbach-Rosenberg, wo ich eine Karte der Gegend erstehe. Dann weiter nach Fichtenhof, einem Weiler mit wenigen Höfen. Dort ist niemand auf der Straße zu sehen, und die Kneipe geschlossen. Auch der Blaue Berg ist nicht zu sehen, nur Nebel und eine durch den Schnee kaum konturierte Landschaft im Umkreis von höchstens hundert Metern. Als ich weiterfahren will, öffnet sich die Kneipentür, und ich kann die junge Wirtin nach dem Ocker fragen. Dieses Wort bedarf der Erklärung. Aber dann weist sie mich zum gegenüberliegenden Hof, und dort finde ich den Bauern. Der weiß gleich Bescheid und hat auch Zeit, mir den Ort zu zeigen. Wir fahren in die entgegengesetzte Richtung. Bald verlassen wir die Straße nach Steinbach und fahren einen schneebedeckten, aber immerhin waagerechten Feldweg entlang. Nach kurzer Zeit halten wir an, gehen in den Wald, dort finden wir im Unterholz zwei, drei unscheinbare Dellen und Hügel. Das sind die ersten, vor langer Zeit aufgegebenen, bäuerlichen Gruben, die ich sehe. Der Mann, gleichaltrig mit mir, hat selber noch vor zwanzig Jahren den Ocker von hier aus zur Bahn gefahren. Alle Bauern der Gegend hatten damals Gruben oder arbeiteten darin oder transportierten den Ocker. Er erzählt mir, dass der Hauenstein, der letzte der Ockergrubenbesitzer noch in Kirchenreinbach leben müsse. Doch schon geht der Weg bergab zur nächsten, der richtigen und großen Grube. Meine Bedenken hinsichtlich des Wegprofils, der Wetterbedingungen und der Fahreigenschaften meines Autos werden von meinem Begleiter weggewischt. Da ist auch schon die Grube, leider fast zugeschüttet und auf dem Grund mit Wasser gefüllt. Keine Chance Ocker rauszuholen! Doch wie zurückkommen? Ringsum ist alles glatt und weiß, die Jeepspuren, denen wir gefolgt sind, haben sich irgendwo verloren. "Da kommst nimmer aufi", lautet der Kommentar des Bauern. "Nunterwärts wern mer vielleicht durchkumm", meint er dann. Also fahre ich auf dem weißen, weichen, weglosen Teppich, auf Wiesen oder Feldern los. Allein den manchmal aufgeregten Richtungshinweisen des Mannes folgend, kamen wir durch den Nebel dann in Steinbach und der Straße an. Den Ocker hole ich später zu Fuß aus dem Wald.


In Königstein erfahre ich dann vom alten, gebrechlichem Wirt der "Post", der selber vor 30 Jahren noch eine Grube betrieben hat, dass hier der Ocker unter Tage abgebaut wurde. Zum Beispiel oben bei Funkenreuth. Doch auch hinter Namensreuth bei Vögelas. Dort vielleicht auch im Tagebau. Also zurück. Ein Bauer dort zeigt mir den Wald, hinter dem der Hauenstein vor ungefähr 1o Jahren ganz unerwartet noch einen großen Haufen Ocker abgefahren habe, wo doch eigentlich schon lange keiner mehr gefördert wurde. Wieder zu Fuß, der Schnee reicht mir teilweise bis zu den Knien, gehe ich zur beschriebenen Stelle. Und tatsächlich finde ich Ocker.


In Degelsdorf finde ich nicht mal einen Gasthof. Ein alter Bauer kennt auch keinen Ocker. Nach einer Weile des Gesprächs erinnert er sich, dass früher oben im Wald hinter dem Brennholzstapel, die Müller blauen und auch roten Degel gewonnen hätten. Aber sicher sei schon alles verwachsen und vermoost. Ich suche lange dort oben, Ocker oder Degel finde ich jedoch nicht, aber eine schöne dunkelbraune Erde und später einen Haufen, von irgendeinem Tier zu Tage geförderter, orangebrauner Sanderde. Erst auf dem Rückweg stoße ich im Hohlweg auf eine winzige Ader von ehemals blauem Degel.


Dann, auf der Straße nach Troschelreuth, kurz nach der Einmündung von Degelsdorf, sehe ich im Vorbeifahren eine Grube. Angehalten, zurückgestoßen und in der Aufregung zu kurz eingeschlagen, lande ich im Straßengraben. Das zweite vorbeikommende Auto(?) hat ein Abschleppseil dabei, so dass ich eine Viertelstunde später wieder auf der Straße stehe. Der Zwischenfall hat sich jedoch gelohnt, immerhin finde ich eine sehr weiße Tonerde.


Endlich dann am Nachmittag kam ich in Troschelreuth an. Gasthöfe mit netten Wirten - ohne Mittagstisch, aber dem Hinweis auf die Bolusgrube. Die sei im Moment zwar geschlossen, aber der Arbeiter, der Herr Sebald, wohne im letzten Hof des Ortes. Ja, roten Bolus bauen sie ab, für Platten, früher wurde er noch nach Italien geliefert, jetzt aber nur noch gelegentlich verkauft. Blauen gäbe es auch, aber weiter hinten in der Grube. Es wäre halt sehr, sehr dreckig und ich sollte mir schon überlegen, ob ich wirklich da reingehen wolle. Nehmen könne ich mir schon einen Beutel, und der Weg wurde auch beschrieben. Wieder Schnee und Nebel, doch die Straße hatte einen festen Untergrund, so dass ich die Grube glücklich erreichte. Der erste Blick fällt auf die riesigen Bagger, doch dann auf dieses unwahrscheinliche Rot. Also Säcke geschnappt und rein. Weit ging es nicht, doch bis zur Oberkante meiner Gummistiefel versinke ich in diesem Rot. Hinten finde ich dann auch noch den blauen Bolus, hell und dunkel. Und einen grünen noch dazu und einen dunkelroten. Alles war jedoch so nass, so glitschig und nirgendwo ein fester Platz, um die Säcke abzustellen. So muss ich den Weg viermal machen, und die Säcke einzeln in der Hand haltend füllen, um zu verhindern, dass das Autos zukünftig nur noch für Schlammtransporte zu verwenden sein würde. Zuguterletzt finde ich noch einen Ockerbolus.


So eine Grube, mit so einem unterschiedlichen und scharf abgegrenzten Farbspektrum habe ich noch nie gesehen. Dann kommt noch der Förster mit seinem Jeep des Wegs und fragt zunächst unwirsch, was ich da treibe. Mein Hinweis auf ein Kunstprojekt lässt ihn wesentlich freundlicher ausschauend davonfahren.


Am Abend lade ich 13 Säcke mit Erde im Atelier ab.