...was kirchliches Bauen vermag, wenn es sich einem hohen Anspruch stellt, ist nicht nur in diesem beindruckenden Sakralraum zu registrieren, sondern auch in der Sakristei, einem kleinen Raum links beim Eingang. Über einem beinahe brusthohen Sakristeischrank, der diesen pompösen Namen verdient – und zwar nicht aus Gründen der Riesendimensionen, ganz im Gegenteil, sondern wegen der Raffinesse des Entwurfs und der Schönheit des Holzes – sind vier Arbeiten von Ekkeland Götze in Kreuzform angebracht, fest mit der Wand verbunden.
Ekkeland Götze arbeitet seit Jahren intensiv an einem Projekt, das sich der Verschmelzung von Spurensuche und Abstraktion verschrieben hat. Diese Arbeit ist in eine ausgedehnte Reisetätigkeit eingebunden, die dem Künstler dazu dient, die Erden einzusammeln, die er in einem Tauschakt mit den Bewohnern der jeweiligen Orte feierlich übernimmt. Götze zeichnet in seiner Kunst die Qualität der Erde auf, indem er auf Bildträger die Erde aufbringt und akribisch festhält, woher diese jeweiligen Farbtöne stammen. Er verwendet die Erden nicht als Pigment, als welche die Erden zur bloßen "Farbe" umgewidmet würden. Er zeichnet in seinen Bildern (der Begriff "Bild" ist ein reiner Formalismus) das Leben, die Fülle, die Variationen der Erde, als wäre er ihr Biograph. Götze also nennt diese Bilder richtig "Terragrafien". Man wird an Nikolaus Lang denken und seine Versuche, die Sedimente darzustellen und ihre beeindruckende Farbigkeit künstlerisch zu erschließen. Dieses Geo-Artistentum ist gewiß dem Ansatz von Ekkeland Götze verwandt, in der Form des Werks aber unterscheiden sich beide Künstler nachhaltig. Obgleich beide die Intention haben, ein möglichst getreues Abbild des künstlerisch untersuchten Groß-Wesens Erde zu erstellen, was die Ausschaltung der subjektiven und expressiven Momente bedeutet, finden sie zu höchst unterschiedlichen Lösungen. Götzes Bilder mögen auf den ersten Blick wie monochrome Malereien wirken. In Wirklichkeit dient der Bildträger nur einer anschaulichen Mobilisierung der Erden. Im Kontrast zur Geologie, die auch die Kartographierung, die Probenentnahme und die Präsentation von Erden (und Gesteinen) kennt, verlässt sich Götze auf die sich vermittelnde Qualität der Erde selbst als Information eines bestimmten Ortes.
Für die Sakristei hat Götze Erden aus dem Sinai auf präparierte Bildträger aufgebracht, die im Block gehängt sind. Genauer: die vier "Bilder" sind so mit der Wand verbunden, dass der Leerraum zwischen ihnen ein gleichschenkeliges Kreuz ergibt. Die Kreuzform ist also eingebettet in eine "terrestrische" Ereignisgeschichte, die an einem ganz bestimmten Orten hängt. Derjenige Transfer, den die Universalisierung des Christentums ausgehend von einer "Splittergruppe" im Mittleren Osten bedeutet, wird hier durch die Verbringung von Erde zum Zwecke der Erinnerung und Vergegenwärtigung verdeutlicht. Systemisch betrachtet verfügt diese Erde über den materiellen Wahrheitsgehalt der herausragenden Ereignisse, die sich an eben diesen bestimmten Orten manifestiert haben. Die Arbeit von Ekkeland Götze ist als Beitrag zu einer Versöhnung von Himmel und Erde zu sehen - welche überhaupt das Generalthema des Dominikuszentrums zu sein scheint - , als Ergänzung der Theodizee (Rechtfertigung Gottes) durch die Geodizee (Rechtfertigung der Erde). Die subscriptio, also die "Bildunterschrift" zitiert die Stelle aus dem Alten Testament, die von der Erscheinung Gottes im brennenden Dornbusch berichtet...
aus dem Text von Elisabeth von Samsonow "Es liegt da, als ob es schliefe" zum 2008 errichteten Dominikuszentrum in München