aktuell
das bild der erde
projekte
die tiefe
gletscher
stromboli
jallikattu
vulkane
sumatra
segantini
puja
maka wakan
menabe
mission
london - paris
reis
arles (van gogh)
rarámuri
pirosmani
europa
das konzept
die mythen
die scheiben
die kleinen scheiben
die halben
die papiere
die fundstellen
die texte
diodorus
lukian
anemospilia
die entführte
europas traum
das buch
das werk
songlines
terroir
shoa
sinai
eisfeuer
go west
amazonas
kailas
afrika
aotearoa
london
amberger gelb
wein
salz
l'ocre
elefanten im schnee
todesstreifen
atlantis
dresden
værøy
terra di siena
die alpen
die berliner mauer
99 fotografien
installationen
ausstellungen
bücher
editionen
texte
videos
galerien
links
vita
kontakt - impressum

europa - die texte - diodorus

Zeus' Geburt und Regentschaft sind ein gewaltiger Stoff, um den sich verschiedene Mythen ranken. Nach einer Überlieferung soll Zeus die Königswürde von seinem Vater Kronos gewaltlos und auf gesetzliche, rechtmäßige Weise übernommen haben, nachdem dieser die Menschenwelt verlassen hatte, um unter die Götter versetzt zu werden. Andere wiederum behaupten, ein Orakelspruch habe Kronos vor einem neugeborenen Sohn gewarnt, der ihm sein Königtum gewaltsam entrissen werde, weshalb Kronos alle von ihm gezeugten Kinder beseitigte.


Aus diesem Grund brachte Rhea, Kronos erzürnte Gemahlin, ihren jüngsten Sohn Zeus in einer Höhle des Idagebirges auf der Insel Kreta zur Welt. Sie gab den Säugling den Kureten zur Pflege, die das Kind zu einer Höhle des Berges Dikti brachten und dort Nymphen anvertrauten. Diese ernährten den Kleinen mit einer Mischung aus Milch und Honig und ließen ihn am Euter der Ziege Amaltheia groß werden, aus deren Hörnern sogar Nektar und Ambrosia flossen. Wegen seiner engen Verbindung zu den Honigträgerinnen errichtete Zeus ihnen ein bleibendes Denkmal. Er veränderte ihre natürliche Farbe in eine goldschimmernde und machte sie gegen die Unbilden jeglicher Witterung unempfindlich. Und auch der Ziege, die ihn, den Gott, gesäugt hatte, erwies Zeus Ehre, indem er sie als Sternzeichen ins Firmament setzte. Die beiden Höhlen, deren Namen mit Zeus' Geburt und Erziehung eng verbunden sind, gelten als heilige Stätten, ebenso wie die Wiesen ringsumher auf den Bergeshöhen. Als der Gott zum Manne herangewachsen war, hatte er zunächst eine Stadt auf Dikti gegründet. Obwohl man diese in späteren Zeiten aufgab, haben sich immer noch einige Quadersteine der Grundmauern erhalten. Überhaupt lassen sich noch viele weitere Zeugnisse für die Geburt und Erziehung des größten der Götter bis zum heutigen Tag auf der Insel finden.


Während König Asterius auf Kreta herrschte, habe Zeus in Gestalt eines Stieres die phönizische Prinzessin Europa entführt und nach Kreta gebracht. An den Gestaden der Mittelmeerinsel vermählte er sich mit ihr und zeugte drei Söhne: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon.


Wenn wir dem Mythos glauben wollen, so hat Minos alljährlich den schönsten aller neugeborenen Stiere Poseidon geweiht und dem Gott als Opfer dargebracht. Doch als dereinst ein besonders stattlicher und schöner weißer Stier auf die Welt kam, behielt Minos ihn für sich und opferte dem Meeresgott lediglich einen geringeren. Poseidon grollte und war erbost über diese Missachtung. Zur Strafe fädelte er es so ein, dass Pasiphaë, Minos‘ Gattin, in Leidenschaft zu dem schönen Stier entbrannte. Mit Hilfe von Daidalos‘ Kunstfertigkeit – er stellte für die Königin eine Kuhimitation aus Holz her, in die sie hineinstieg – ließ sich Pasiphaë vom Stiere begatten. Die Frucht dieser Verbindung war der sagenumwobene Minotauros. Dieses Wesen besaß eine Doppelgestalt: Der Kopf und die Körperteile bis zu den Schultern waren die eines Stieres, der restliche Leib aber der eines Menschen.

Diesem Untier erbaute Daidalos auf Geheiß des Königs Minos das berühmte Labyrinth. In dessen gekrümmten und verschlungenen Gängen wurde der Minotauros gehalten, und jeder Unglückliche, der dort hineingestoßen wurde, fand nie wieder den Weg hinaus.


Später verlangte König Minos wegen seines ermordeten Sohnes Androgeos von den Athenern Genugtuung. Als diese ihn nicht beachteten, sprach er in Zeus' Namen einen Fluch über sie aus, und Dürre und Hunger brachen über Attika und Hellas herein. Die Stadtoberen befragten den Gott, wie das Übel abzuwenden sei, das sie befiel, und Zeus wies sie an, zu Minos zu gehen und seiner Forderung nach Genugtuung Folge zu leisten.


Minos befahl den Athenern, neun Jahre lang sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge dem Minotauros zu opfern. Nachdem die Athener die Opfer dargebracht hatten, wurde Attika von den Übeln befreit. Zwar stellte Minos den Krieg gegen Athen ein, doch nach Ablauf von neun Jahren lief seine große Flotte erneut den attischen Hafen an. Minos forderte abermals sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen und erhielt sie auch diesmal. Doch auf dieser Fahrt schickte König Aigeus seinen Sohn, den Helden Theseus, mit nach Kreta. Nachdem er mit seinen Begleitern auf Kreta gelandet war, verliebte sich die Tochter des Minos, Ariadne, in den strahlenden und schönen Theseus, der alsbald ihr Vertrauen gewann. Im Labyrinth tötete Theseus den Minotauros – die einen glauben, er habe ihn mit einem Schwert enthauptet, die anderen meinen, er habe ihn mit seiner Keule erschlagen, während ein dritter Mythos berichtet, Theseus habe das Unwesen mit bloßen Händen erwürgt – und konnte mit Hilfe von Ariadnes Faden glücklich den Irrgängen entkommen. Heimlich bei Nacht floh Theseus mit seiner Retterin Ariadne von Kreta. Auf der Heimreise nach Athen jedoch ließ er die Schöne auf der Insel Dia zurück, die heute Naxos heißt.


Minos, der sich an Daidalos wegen Pasiphaë rächen wollte, ließ alle Fahrzeuge auf Kreta durchsuchen, da er ihn auf der Flucht wähnte. Daidalos gab schon die Hoffnung auf, mit einem Schiff entkommen zu können, da fertigte er kunstvolle und mit Bienenwachs wunderbar verbundene Schwingen an, die er sich und seinem Sohn Ikaros anlegte. Die beiden breiteten zum Erstaunen aller die Flügelarme aus und flogen auf das Meer hinaus. Doch Ikaros, in seinem jugendlichen Leichtsinn, setzte den Flug allzu hoch an. Das Wachs, das die Flügel zusammenhielt, zerschmolz in der Hitze der Sonne, und er stürzte ins Meer. Daidalos aber rettete sich glücklich über das Meer nach Sizilien.



Aus Diodoros' "Griechischer Weltgeschichte"